Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

auch in diesem Jahr erst einmal mein Dank an den Kämmerer und die Verwaltung für dieses umfassende Werk. Mein Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen hier im Rat und in den Ausschüssen für die angenehmen und zügigen Beratungen.

Viele Themen, die die Zukunft der Stadt Leichlingen betreffen, wurden im vergangenen Jahr beraten und auf den Weg gebracht. Im Mittelpunkt stand dabei das Integrierte Handlungskonzept für das Ortszentrum Leichlingen, das Integrierte Handlungskonzept für das Höhendorf Witzhelden wurde ebenfalls beschlossen und auf den Weg gebracht. Doch immer, wenn es um die Innenstadtentwicklung geht, brechen alte Wunden auf. Die ständig wiederkehrende Diskussion um die Bebauung oder Nichtbebauung des oder der Stadtparks ist ermüdend und für eine gute und erfolgreiche Stadtentwicklung wenig hilfreich. Die unterschiedliche Auslegung der Bürgerumfrage und der Umgang mit dem knappen Ergebnis muss endlich abschließend geklärt werden. Dieser ständig schwelende Streit mit den andauernden Diskussionen lähmt und verhindert nahezu jegliche Stadtentwicklung, sei sie auch noch so sinnvoll.

Wir nutzen nach wie vor nicht unsere Chancen

Ich habe schon mehrfach gesagt, dass wir unsere Chancen nutzen müssen. Wir Freien Demokraten haben zum Beispiel den Kauf des alten Rathauses mit der Forderung verknüpft, diesen in Zusammenhang mit einer Randbebauung der Kirchstraße zu sehen. Unter Einbeziehung des alten Rathauses könnte hier nach unseren Vorstellungen zum Beispiel eine moderne Seniorenresidenz entstehen, ausgestattet mit Optionen der Betreuung bis hin zur Pflege. Wir sind sicher, dass sich dafür ein Investor findet, denn die Nachfrage nach solchen Konzepten vor allem in bevorzugten Innenstadtlagen ist immens. Eine solche Seniorenresidenz wäre nach unserer Auffassung eine Riesenbelebung für unsere Innenstadt und den hiesigen Einzelhandel.

Ich will jetzt nicht nachkarten, aber auch mit der Entscheidung, den Neubau des Hallenbades am jetzigen Standort vorzunehmen, wurde eine Riesenchance vertan. So hätte man mit einem Schlag den vielfach geforderten preiswerten Wohnraum schaffen können. Und so nebenbei wäre auch die Frage Rathausneubau und / oder Sanierung mitbeantwortet und beendet worden. Obwohl unter den Beteiligten der Verwaltung und der Politik weitestgehend Einigkeit erzielt worden war, verhinderte am Ende eine Grundsatzentscheidung, die vor vielen Jahren einmal getroffen wurde und zu dem Zeitpunkt vielleicht auch richtig war, ein entscheidendes Vorankommen in der Innenstadtentwicklung. Für mich eine große Enttäuschung, dass so wesentliche und weitreichende Entscheidungen in nur einem einzigen 90 Minuten dauernden Gespräch abgehandelt und erledigt werden. Wie kann man nur so leichtfertig mit Chancen umgehen.

Unsere Zukunftsthemen in Leichlingen

Klimaschutz

Digitalisierung und Klimaschutz sind ohne Frage die großen Zukunftsthemen, auch bei uns in Leichlingen. Der Klimaschutz hat deshalb in diesen Haushaltsplanberatungen zurecht eine zentrale Rolle gespielt. Viele Entscheidungen und Maßnahmen werden zukünftig erst auf ihre Klimaschädlichkeit hin untersucht und entsprechend angepasst. Allerdings darf man daraus keine Grundsätzlichkeit her ableiten. Maß, Machbarkeit und Verhältnismäßigkeit müssen bei Entscheidungen und Durchführung von Maßnahmen stimmen, wir dürfen unsere kleine Kommune nicht überfordern. Auch wenn wir noch so viele Mittel einsetzen, werden wir alleine das globale Klima nicht retten oder entscheidend verbessern können. In der BRD wurden seit der Energiewende zum Beispiel fast 500 Mrd. Euro ausgegeben ohne dass wir einen nennenswerten Schritt in Sachen Klimaschutz oder Verbesserung des Klimas vorangekommen sind. Wir sehen deshalb die Einstellung eines Klimafolgenmanagers sehr kritisch, zumal nach unserer Kenntnis auch auf Kreisebene eine solche Stelle geschaffen wurde. Wir sollten deshalb mehr auf Synergie und Zusammenarbeit mit dem Kreis setzen, denn nur gemeinsam werden wir in dieser zentralen Frage Erfolge erzielen.

Digitalisierung

Die Digitalisierung der Verwaltungsleistungen ist eine weitere große Aufgabe. Sie ist begründet durch das Onlinezugangsgesetz (OZG), das vorschreibt, bis zum Jahr 2022 alle Verwaltungsleistungen auch elektronisch anzubieten. Ein ehrgeiziger Auftrag, wenn man bedenkt, wie behäbig die Digitalisierung in der Bundesrepublik bislang angegangen wurde. Im vorliegenden Haushalt findet man nur schwerlich Ansätze, ob und wie diese Aufgabe angegangen wird.

Beim Angebot von schnellen Datenleitungen durch Glasfaser wähnten wir uns eigentlich schon auf einem guten Weg, vor allem im Vergleich zu anderen Kommunen. Doch die Vorvermarktung in Witzhelden für das schnelle Datennetz zeigte ernüchternd, dass der Bürger von der Notwendigkeit von schnellen Datenleitungen noch lange nicht überzeugt ist. Hier zeigt sich Dilemma und Widerspruch von Verwaltung und Politik. Statt Verwaltungsnebenstellen durch Digitalisierung der Verwaltungsleistungen überflüssig zu machen, baut man weiterhin auf analoge Servicefelder. Wie soll denn der Bürger Nutzen und Notwendigkeit von Hochgeschwindigkeitsnetzen erkennen, wenn Verwaltung und Politik den Bürger genau gegenteilig handeln?  Sparkassen und Banken bieten bereits seit längerem Video-Chats für Beratungszwecke an, warum also nicht auch die Verwaltung? Seit dem 1. Oktober 2019 können Bürger und Bürgerinnen beispielsweise alle Standardzulassungsvorgänge für das Kfz online abwickeln. Mit dem Projekt i-Kfz (internetbasierte Fahrzeugzulassung) und dem Inkrafttreten entsprechender Verordnungen werden Behördengänge diesbezüglich überflüssig. Warum kümmert man sich also nicht um eine schnelle Umsetzung auch im Rheinisch Bergischen Kreis und somit auch in Leichlingen? Solche Angebote und Maßnahmen würden den Bürger vielleicht eher über die Notwendigkeit und Nützlichkeit von schnellem Internet überzeugen. Es mangelt also weniger an der Bereitschaft der Bürger für das schnelle Datennetz, sondern mehr an plausiblen und nützlichen Angeboten.

Mobilitätswende

Die Mobilitätswende möchte ich im Reigen der Zukunftsthemen nicht außen vorlassen. Ein erster entscheidender Schritt ist mit der Zusammentragung von Anforderungen für die Erstellung eines Verkehrskonzeptes getan. Eines ist jedoch gewiss, eine Änderung der aktuellen verkehrlichen Situation kann letztendlich nur durch eine Verringerung des motorisierten Individualverkehrs erreicht werden. Die Bürger und insbesondere die Pendler müssen mit attraktiven Angeboten zum Wechsel vom PKW auf alternative, umweltfreundlichere Konzepte angeregt und bewegt werden. Eine Alternative dazu ist sicherlich das Fahrrad. Das Land Nordrhein-Westfalen wird als zweites Bundesland nach Berlin ein Radverkehrsgesetz auf den Weg bringen. In Anlehnung an die Volksinitiative Aufbruch Fahrrad wird darin das Ziel verankert, bis 2025 den Anteil des Radverkehrs am Verkehrsmix von derzeit 8% auf 25 % zu erhöhen. Ich glaube, das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, aber es wird die Möglichkeiten, auch in Leichlingen gute und sichere Radwege zu schaffen, ungemein erhöhen. Diese Chance sollten wir unbedingt nutzen.

Eine weitere Möglichkeit zur Verringerung des motorisierten Individualverkehrs sind auch sogenannte Sharing-Konzept. Wir bedauern sehr, dass das Projekt Autonomes Fahren, das wir entscheidend mit initiiert und vorbereitet haben, nun in einer Verwaltungsschublade schlummert. Gerade autonom fahrende Fahrdienste können und werden im ländlichen Raum entscheidend die Mobilität insbesondere von älteren Menschen erhöhen und verbessern. Die Verbindung der Ortskerne Witzhelden und Leichlingen mit autonom fahrenden ÖPNV – Fahrzeugen wäre zum Beispiel ein Projekt und eine Lösung, die geforderte Erhöhung der nächtlichen ÖPNV – Busverbindungen bereit zu stellen. Das ist sicherlich noch eine Vision, aber sie ist auch nicht so weit in der Zukunft wie man allgemein glaubt. Und Visionen werden auch nicht wahr, indem man sie in eine Schublade legt. Wir sind deshalb nach wie vor bereit, an diesem Projekt weiter zu arbeiten, um es voranzubringen.

Chancen und Risiken des Haushaltes

Der vorliegende Haushaltsplan für das Jahr 2020 schließt mit einem Defizit von knapp 2 Mio. Euro.  Und wie nicht anders erwartet bzw. wie von der Aufsichtsbehörde gefordert, wird im Jahr 2024 rechnerisch die schwarze Null erreicht. Die Steuereinnahmen sprudeln nach wie vor und die Landeszuweisungen waren noch sie so hoch wie heute. Das NKF hat sich der internationalen Rechnungslegung angenähert und erlaubt seit dem 1. Januar 2019 auch Zuschreibungen zum Anlagevermögen. Das bedeutet, dass die zum Teil nicht unerheblichen Erhaltungs- und Instandsetzungsaufwendungen nicht mehr direkt als Aufwendungen verbucht, sondern dem Anlagevermögen zugeschrieben werden können. All das wären eigentlich gute Voraussetzungen, dem Leitspruch zu folgen „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not“. Doch dem ist leider nicht so. Genauso wie die Steuereinnahmen sprudeln, genauso sprudeln auch unsere Ausgaben.

War in früheren Jahren die vorsichtige und konservative Planung ein Markenzeichen des Kämmerers, sieht er sich in der vorliegenden Planung bereits genötigt, diesen Pfad der Tugend zu verlassen, um irgendwie das Ziel des ausgeglichenen Haushalts in 2024 zu erreichen. Ich habe einmal die letztjährige Planung und die diesjährige Planung für die Jahre 2020 – 2024 miteinander verglichen. Und obwohl gerade erst ein Jahr vergangen ist, sind die Unterschiede doch beachtlich. Die Einnahmen für diesen Zeitraum erhöhen sich in der jetzigen Planung um 5,1 Mio. EUR, die Ausgaben sogar um 6,0 Mio. EUR. Die Personalaufwendungen verringern sich sogar in der aktuellen Planung um rund 411 Tsd. Euro, erstaunlicherweise. Mir ist noch nicht klar, wie sich das mit dem geplanten Personalzuwachs vereinbart, realistisch erscheint mir das eher nicht. Große Fehlerkorrekturen bei den Personalaufwendungen wurden im Vorfeld der Planungen nämlich nicht bekannt gegeben wurden.

Wir sehen aber deutlich, ein Einnahmenproblem haben wir nicht, sondern ein ganz gravierendes Ausgabenproblem. Dieser Haushalt ist alles andere als solide, Reserven sind nicht vorhanden, und das bei seit Jahren sehr günstigen Rahmenbedingungen. Wenn man anfängt, darüber nachzudenken, ob die schwächer werdende Konjunktur die Steuereinnahmen vielleicht doch weniger sprudeln lässt, der Neubau des Schwimmbades vielleicht doch teurer wird als die derzeitige Deckelung besagt, oder dass andere Unwägbarkeiten gar nicht erst in der Planung auftauchen wie beispielsweise die fehlende, aber notwendige personelle Ressource für die Pflege des zu geplanten Straßenkatasters, dann erkennt man, dass dieser Haushalt doch mit einigen Risiken behaftet ist. Es ist also nicht schwer zu prophezeien, dass wir in den kommenden Jahren deutlich mehr Schwierigkeiten bekommen werden, überhaupt das Ziel des ausgeglichenen Haushaltes ab 2024 zu erreichen. Deshalb muss nach meiner Ansicht jede neue Ausgabe auf Ihre Angemessenheit und Notwendigkeit überprüft werden, jede alternative Finanzierungsmöglichkeit muss ausgeschöpft werden. Ein nachhaltig ausgeglichener Haushalt ab dem Jahr 2024 ist so nicht zu schaffen. Und wenn wir dieses Tempo der Ausgabensteigerung weiterhin beibehalten, wird der Kämmerer nicht umhinkommen, die Hebesätze für die Grundsteuer B noch deutlicher zu erhöhen als ohnehin schon geplant. Dem werden wir dann aber kaum zustimmen können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Lothar Esser

Haushaltsrede zum Haushaltsplan 2020
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