von Lothar Esser, 6. März 2019

In einer Studie des Instituts für Wirtschaft, die dieser Tage veröffentlicht wurde, wird deutlich, dass Deutschland älter wird. Das ist jetzt nicht verwunderlich, doch es gibt Unterschiede, denn der Alterungsprozess ist nicht gleichmäßig: Deutschlands Städte werden im Gegensatz zu den ländlichen Gebieten jünger. Die Ursachen dafür sind mannigfaltig. Die Migrationswelle der letzten Jahre hat dies begünstigt, aber auch junge Menschen aus dem In- und Ausland strömen in die Städte, und zwar eindeutig zulasten der ländlichen Gebiete. Der demographische Trend der letzten Jahrzehnte war allerdings anders, denn lange Zeit hatten die Städte eine ältere Bevölkerung als das Umland, weil dort kinderreiche Familien aufgrund der günstigeren Mieten und Baulandentwicklungen hingezogen sind.

Abb. 1 – Junge Stadt, altes Land

Ralph Henger, Ökonom am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erklärt in seiner Studie „Alterung der Gesellschaft im Stadt-Land-vergleiche“, dass die Zuwanderung aus dem In und Ausland die Alterung in den Großstädten vorübergehend gestoppt hat. Dagegen hat die Abwanderung von jungen Menschen aus den ländlichen Regionen in die Großstädte die Vergreisung in den Abwanderungsgebieten gefördert. Betrug das mittlere Alter in den kreisfreien Großstädten (ab 100.000 Einwohner) im Jahre 1995 noch 40,7 Jahre, wuchs es an auf 42,9 Jahre im Jahr 2009, um dann wiederum wieder zufallen auf zuletzt 42,7 im Jahr 2017. Dagegen ist der Durchschnitt im ländlichen Raum im gleichen Zeitraum von 40 auf 44,8 Jahre gestiegen.

Kleine und mittlere Universitätsstädte wie Freiburg und Heidelberg haben von der Zuwanderung von jüngerer Menschen profitiert, aber auch in wirtschaftlich starken Ballungszentren wie zum Beispiel Köln/Leverkusen wird dieser Trend besonders deutlich. Obwohl der demographische Wandel sich eher langsam über Jahre hinweg vollzieht, werden die Auswirkungen häufig zu spät von Politik, Bürgerschaft und Wirtschaft erkannt, rechtzeitige Weichenstellungen somit versäumt. Die Wissenschaftler des Instituts der deutschen Wirtschaft haben eine interaktive Grafik erstellt, die zeigt, wie sich der Bevölkerungsaufbau in 401 Kreisen und den kreisfreien Städten des Landes im Zeitraum von 1995-2017 in fünf Jahresschritten verändert hat. Sie geben das mittlere Alter und die Einwohnerzahlen der entsprechenden Region an.


Welche Veränderungen sind im Rheinisch-Bergischen Kreis im Vergleich zu Köln und Leverkusen sichtbar, welche Schlüsse sind daraus insbesondere auch für Leichlingen zu ziehen?

Abb. 2 – Entwicklung Rheinisch-Bergischer Kreis im Vergleich zur BRD 1995 und 2017

 

 

 

Der Rheinisch-Bergische Kreis (RBK) ist bevölkerungsmäßig wie die BRD von 1995 bis 2017 gewachsen, allerdings ist das Wachstum um 4,8% höher als im Bundesdurchschnitt von 1,2 %. War das mittlere Alter 1995 im RBK im Vergleich zur BRD mit 40,5 um 0,6 Jahre nur geringfügig höher als im Bundesdurchschnitt, hat sich der Abstand beim mittleren Alter im Jahr 2017 auf 1,2 Jahren bereits verdoppelt. 

Abb. 3 – Bewohner und mittleres Alter im Vergleich

Der Vergleich in der Region Köln – Bonn

Die Bevölkerung ist im Vergleichszeitraum 1995 bis 2017 in der Region Köln-Bonn von 1,428 Mio. in 1995 um 6,9% auf insgesamt 1,527 Mio. Bewohnern gestiegen. In diesem Vergleich wird das Wanderungsverhalten vom Land in die Stadt besonders deutlich. Wuchs die Bevölkerung im Zeitraum bundesweit nur um 1,2%, war der Zuwachs im Ballungsgebiet Köln mit 8,4% deutlich höher als in der BRD und in Leverkusen und immerhin noch doppelt so hoch wie im Rheinisch-Bergischen Kreis.

Die Veränderung beim mittleren Alter in den Vergleichsregionen zeigt, dass die Wanderung und Migration überwiegend durch junge Menschen stattfindet. War das mittlere Alter in der Region im Jahr 1995 nur geringfügig unterschiedlich, wuchs das mittlere Alter bis zum Jahr 2017 in Köln um lediglich 3,0 % auf 41,6 Jahre, in Leverkusen um 7,8 % auf 44,2 Jahre und im Rheinisch-Bergischen Kreis um beträchtliche 12,1% auf 45,4 Jahre, also auch stärker als im Bundesdurchschnitt. Trotz positivem Zuwanderungssaldo sind mehr junge Menschen abgewandert als hinzugekommen. Beachtlich ist auch, dass in 1995 im Gegensatz zu 2017 das mittlere Alter in Leverkusen noch um 0,5 Jahre höher war als im Rheinisch-Bergischen Kreis. Und es ist zu erwarten, dass der Abstand zwischen dem RBK und Leverkusen sich in den nächsten Jahren durch den Campus und den damit verbundenen Zuzug von jungen Menschen noch vergrößern wird.

Abb. 4 und 5 – Entwicklung Rheinisch-Bergischer Kreis im Vergleich zu Leverkusen und Köln

 

Welche Schlüsse sind daraus für Leichlingen zu ziehen?

Die Stadt Leichlingen liegt mit seinen knapp 30.000 Bewohnern am nördlichen Rand des Rheinisch-Bergischen Kreises und in direkter Nachbarschaft zu Leverkusen. Aufgrund der räumlichen Ausdehnung mit den beiden Ortszentren Leichlingen und Witzhelden muss man Leichlingen trotz der Nähe zu Leverkusen eher dem ländlichen Raum des rheinisch-Bergischen Kreises als dem städtischen Raum von Leverkusen zurechnen.  Dies bedeutet eine Zunahme hin zu einer überdurchschnittlichen Altersstruktur. Der Förderung des Zuzugs von jungen Menschen und Familien muss deshalb oberste Priorität zugeordnet werden. Aus meiner Sicht sind nachfolgende Maßnahmen (stichpunktartig und ohne Anspruch auf Vollständigkeit) zum Erhalt und der Verbesserung der Infrastruktur der Stadt Leichlingen notwendig. Maßnahmen, die die Attraktivität der Stadt Leichlingen im Wettbewerb mit den Nachbarkommunen um den Zuzug von jungen Menschen und Familien erhalten und verbessern:

Bildung und Schule

Beste Qualität bei Zustand und Ausstattung der Schulen (z.B. Glasfaseranbindung, digitale Lern- und Lehrmittel, barrierefreie Ausgestaltung) Aufrechterhaltung der Vielfältigkeit der Schulen

Kinderbetreuung

ausreichende Anzahl von Betreuungsplätzen für Kinder aller Altersgruppen mit flexiblen Öffnungszeiten der Kindertagestätten und Horte.

Wohnraum und Bauflächen

Ausweisung weiterer Bauflächen und Baugebiete unter Ausnutzung des Potenzials, Verdichtung im Innenbereich mit Geschoßwohnungsbau dort, wo es möglich ist. Mehr Blick auf das Ganz und auf die Zukunft, weniger auf Wählerstimmen. Nutzen der Chancen

Verkehr und Personenbeförderung

Kurzfristig: Erstellung eines Verkehrskonzeptes mit Analyse des Istzustands, Lösungswege für kurzfristieg Verbesserung in Stoßzeiten, Ausbau Radwegenetz (Vorrangeinräumung) Mobilitätskonzept Kreis

Mittel- und langfristig: Ausbau und Verbesserung des ÖPNV, Umstieg auf alternative Verkehrsmittel – modal shift, Verhaltensänderung der Verkehrsteilnehmer: Sharing-Systeme (Nutzen statt Besitzen), autonomes Fahren

Digitalisierung der Verwaltung – E-Government

Mehr Investitionen und Ressourcen für die Digitalisierung der Verwaltungs-, >Informations- und Kommunikationsprozesse, Bürgern so schnell wie möglich elektronische Angebote den Weg zum Bürgerbüro ersparen

Freizeit und Versorgung

Erhalt und Ausbau des Freizeitangebots mit Veranstaltungen, Sport- und Schwimmstätten, Rad- und Fußwege. Fußläufige Grundversorgung in zentralen Bereichen, Attraktivierung des Wupperraumes

Damit verbunden sind natürlich die richtigen politische Entscheidungen für Investitionen in die Zukunft. Leider dienen viel zu häufig politische Entscheidungen mehr der Wahrung des aktuellen Bestandes und Zustandes als der Ausrichtung auf zukünftige Anforderungen und Gegebenheiten.

Noch einige interessante Daten und Fakten zum Alterungsprozess

  • In Europa gehört Deutschland zu den ältesten Gesellschaften
  • Wachstum in den Großstädten seit 2014 im Wesentlichen durch Zuwanderung aus dem Ausland (1,16 Mio. Nettozuwanderung in 2015)
  • Ein in Deutschland lebender Ausländer ist im Schnitt 37,7 Jahre alt (Stat. Bundesamt, Stand 2017), damit deutlich jünger als die Bevölkerung der BRD mit 44,2 Jahren
  • Zuzug junger Bevölkerung führt zu einer höheren Geburtenrate in den kreisfreien Städten
  • Fertilitätsrate der Ausländerinnen ist höher als die der Inländerinnen. Die Geburten je Frau im Jahr 2016 liegt bei Ausländerinnen bei 2,28 Kinder, bei Inländerinnen bei 1,46 Kinder je Frau.

Abbildung 6 – Ausgesuchte Werte / Merkmale

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Download des Beitrages als pdf-Datei, hier klicken: Alterstrukturwandel – RBK …

 

 

Quellangaben:
Abbildung 1:                 Institut der Wirtschaft, Ralph Henger / Christian Oberst, IW-Kurzbericht Nr. 16/2019 „Alterung der Gesellschaft im Stadt-Land-Vergleich“
Abbildung 2 bis 6:       Institut der Wirtschaft, „Welche Regionen besonders vom demografischen Wandel betroffen sind“, Interaktive Grafiken

Alterstrukturwandel – Rheinisch-Bergischer Kreis wird älter, Köln hingegen jünger