von Lothar Esser
Ich persönlich erlebe das leider immer wieder, dass behinderte und mobilitätseingeschränkte Menschen nicht teilhaben können und dürfen, weil der Denkmalschutz selbst kleinste Veränderungen oder Anpassungen ablehnt. Wenn Stein wichtiger ist als der Mensch, gelingt Inklusion nie.
Die Politik in Leichlingen unterstreicht diese Erkenntnis deutlich, indem sie sowohl Bezirksausschuss als auch im Ausschuss für Stadtentwicklung sich gegen den Abriss des alten evangelischen Gemeindehauses entscheidet und sich gegen den Neubau eines Hauses für betreutes Wohnen stellt. Sie stellt den Denkmalschutz eindeutig vor den Mensch. Eine Stadtentwicklung, die den Erhalt eines noch nicht einmal denkmalgeschützten Gebäudes vor die dringend notwendige Betreuung und Versorgung von Menschen stellt, ist kalt und erscheint verlogen. Hätte man diese soziale Kälte eher den Freien Demokraten zugetraut, sind es aber gerade die Parteien mit einem „C“ oder einem „S“ im Namen, die den dringend notwendigen Bedarf in einer zunehmend alternden Gesellschaft verleugnen und ablehnen.
Aber Entscheidungen der Politik und auch der Verwaltung, die nicht aus Sicht der Menschen und für den Menschen getroffen werden, sind in der jüngsten Vergangenheit nicht neu in Leichlingen:
- Statt den Standort des Schwimmbadneubaus ins Eicherhoffeld zu verlegen und somit Raum für den dringend notwendigen und von der Politik ja auch vehement geforderten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, entscheidet man sich lieber für die Nostalgie und gegen den Mensch.
- Auch die anstehende Sanierung des Freibades wurde einst mit der Zielsetzung beschlossen, die Attraktivität des Bades zu steigern und mehr Kunden zu gewinnen. Doch der angrenzende Neubau des Hallenbades bewirkt das genaue Gegenteil. Die neue Schwimmhalle wird direkt ans Wasserbecken gesetzt und raubt dem Freibad nahezu die Hälfte der Liegefläche. Statt mehr Besucher werden künftig an heissen Tagen Mütter und Kinder nach Hause geschickt, weil aufgrund der geringeren Kapazität Gefahr für Leib und Seele drohen könnte. Die ursprünglich mit 500.000 Euro angesetzten Kosten ufern aus auf unglaubliche 5 Mio Euro und werden eingetauscht gegen eine geringere Publikumskapazität – Zielsetzung ad absurdum und gegen die Menschen.
- Auch der Mitarbeitermangel der hiesigen Stadtverwaltung ist längst kein allgemeines Problem der Kommunen, sondern auch und möglicherweise überwiegend ein hausgemachtes. Statt den längst beschlossenen Neubau des Rathauses voranzutreiben und somit für Mitarbeiter ein modernes und attraktives Arbeitsumfeld zu schaffen, soll das marode, alte Gebäude sogar aufgestockt werden. Dabei lässt man völlig außer Acht, dass ein moderner und attraktiver Arbeitsplatz auch eine Respektbekundung und Wertschätzung dem Mitarbeiter gegenüber ist. Für viele Arbeitssuchende ist ein Arbeitsumfeld, in dem man sich wohlfühlen, mittlerweile eine Grundvoraussetzung für eine Bewerbung. Auch hier wird zu wenig an den Mensch gedacht.
- Und nicht zuletzt spielen die einst mit viel Aufsehen beschlossenen Leitsätze für ein barrierefreies Leichlingen kaum noch eine Rolle im politischen Alltag. Es ist absolut rätselhaft, wie man die Zielsetzung, bis 2025 barrierefrei zu sein, erreichen kann und will. Und ein Behindertenbeirat, der zulässt, dass ein Sozialkaufhaus ohne barrierefreien Zugang eröffnet wird, verdient nicht annähernd diesen Namen. Die Stadtverwaltung als Vermieter verstösst auch eindeutig gegen Leitsätze und handelt somit gegen die Menschen.
Ich kann der Politik und allen Handelnden bei Ihren Entscheidungen nur anraten, den Mensch deutlich mehr in den Vordergrund zu rücken, um ein zukunftsfähiges und lebenswertes Leichlingen zu schaffen.
Leichlingen, 30. März 2022
Lothar Esser